Trauer um Klaus Dörner, 22.November 1933 – 25. September 2022
Am 25. September 2022 ist Klaus Dörner gestorben. Er wäre am 22. November 89 Jahre alt geworden.
Seit 1980 war er Chefarzt der westfälischen Klinik in Gütersloh und der erste Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an unserer Universität – bis 1996. Ohne ihn wäre das Fach in klinischer Praxis, Forschung und Lehre nicht zu dem geworden, was es heute ist: ein Kontinuum von sektorenübergreifender Versorgung bis hin zum hometreatment und dessen Erforschung. Einzig, seine Art zu lehren. Eine ganze Generation von Ärzt*innen unserer Universität hat durch ihn den Umgang mit psychisch kranken Menschen und deren Familien gelernt. Er hat darüber hinaus die sozialpsychiatrische Landschaft in Deutschland maßgeblich mitgeprägt.
Diejenigen Studierenden, die ihren „Psychiatrieblock“ in Gütersloh gemacht haben, haben sein echtes Interesse für den Anderen, den Fremden und sein feines Gespür für die Grenzen des Verstehens erlebt.„Die Person ist das einzige Mittel in der Psychiatrie, das zählt“ – das war einer seiner Lehrsätze. Immer wieder konnte man ihn dabei beobachten, wie er diese Überzeugung in menschliche Begegnungen eingebracht hat. Da konnte es auch schon einmal schroff zu gehen, anstößig im besten Sinne des Wortes.
Er hat die alte Virchow’sche Wahrheit vorgelebt: „Die Medizin ist eine soziale Wissenschaft.“
Die Grundzüge seines Psychiatrieverständnisses, sind in seinem gemeinsam mit Ursula Plog verfassten Lehrbuch „Irren ist menschlich“ niedergelegt. Hier lässt sich nachlesen, wie es gelingen kann, sich selbst auf den anderen zu verstehen und mit Respekt auf Augenhöhe mit Menschen in Krisen umzugehen.
Diese Haltung hat sich entwickelt über die Analyse des Umgangs der Bürger mit den Irren zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Ländern Europas. 1969 ist „Bürger und Irre“, erschienen, eine Studie, die unser Psychiatrieverständnis nachhaltig verändert hat.
Die historische Erfahrung, wie leicht psychisch kranke Menschen ausgegrenzt, entrechtet und schließlich getötet wurden, erklärt sein Engagement für die Entschädigung der Opfer der deutschen Psychiatrie und die Analyse der Medizinverbrechen in dem Sammelwerk „Der Krieg gegen die psychisch Kranken“ von 1989. Er hat bewiesen, dass die Dauerhospitalisierung chronisch psychisch kranker Menschen unsinnig und menschenfeindlich ist und sämtlichen sogenannten „Langzeitpatienten“ der Gütersloher Klinik ein Leben in ihrer Heimatgemeinde ermöglicht. In „Ende der Veranstaltung: Anfänge der Chronisch-Kranken-Psychiatrie“ wurden die Ergebnisse der Begleitforschung publiziert.
Die wohl schwierigste Zeit seines Berufslebens hat Klaus Dörner in den Jahren 1990/91 erlebt. Er musste erfahren, dass in der eigenen Gütersloher Klinik ein Helfer schutzbefohlene Patient*innen getötet hatte. Dörner ist offen mit eigenen Fehlern umgegangen und hat seine Überlegungen dazu in einem eindrücklichen Vortrag 1992 in Berlin berichtet.
Klaus Dörner war nie everybodys darling. Er wurde in Hamburg als Chefarzt nicht gewollt. „Ich war ein rotes Tuch für alle anständigen Hanseaten“ – so sagte er es selbst einmal. Sein konsequentes Eintreten für die Enthospitalisierung chronisch psychisch kranker Menschen war keinesfalls unumstritten. Er sagte, was er dachte und tat, was er sagte. Er gehört zur DNA unserer Universität.
Wir trauern um Klaus Dörner. Wir verlieren einen geschätzten Kollegen, einen großen Arzt und Lehrer.
Wir sind dankbar, dass er bei uns war.
Witten, den 28. September 2022
gez. Prof. Dr. med. Karl-Heinz Beine